Demokratie auch in der Wirtschaft!

Für eine Abschaffung des unsere Ökonomie dominierenden oligarchischen Prinzips

Ein Gespenst geht um in meinem Kopf. 🙂

Wir alle wollen eine demokratische Gesellschaft. Weshalb aber denken wir dabei nur an die Politik, also an die Entscheidungsfindungen in unserem Staat, unseren Kantonen, Städten und Gemeinden? Und akzeptieren dabei, ohne es uns bewusst zu sein, dass unsere Wirtschaft von oligarchischen Prinzipien geleitet wird? Im Bereich der Ökonomie hinterfragen bisher auch wir in der Schweiz, die wir auf unsere Demokratie stolz sind, kaum die Tatsache, dass vergleichsweise wenige Vermögende und Bildungseliten die Macht über die Mehrheit der Bevölkerung haben und unsere Leben dadurch in grossem Mass bestimmen.

Viele unserer gesellschaftlichen Probleme, welche wir, da sie uns alle betreffen, mit demokratischen Verfahren regeln sollten, betreffen (auch) ökonomische Themen. Für unsere Einkommen sind wir darauf angewiesen, einen Grossteil unseres Alltags mit Erwerbsarbeit zu verbringen. Die Wirtschaft bestimmt deshalb unsere Lebensgestaltung in hohem Ausmass. Ausserdem ist sie der Bereich unserer Gesellschaft, durch den wir mit all den Gütern und Dienstleistungen versorgt werden – respektive wo wir diese produzieren -, die wir Menschen zu einem guten Leben brauchen und konsumieren. Die Art und Weise, wie wir dies tun, ist auch für die Zukunft der Menschheit, der Umwelt, des Klimas, der Biodiversität und der zur Verfügung stehenden Ressourcen unseres Planeten von grosser Bedeutung. Die Wirtschaft ist also etwas, was uns alle zutiefst betrifft. Gleichzeitig scheint es uns nicht immer klar zu sein, dass sie für die Menschen da ist und nicht umgekehrt. Unsere Wirtschaft ist weit davon entfernt, nach demokratischen Prinzipien zu funktionieren, sondern innerhalb ihres Einflussbereichs herrschen nach wie vor oligarchische Prinzipien. Diese werden bisher bloss durch staatliche Regeln ein wenig gezähmt. Die Politik hinkt den oft rasanten wirtschaftlichen Entwicklungen aber nicht nur hinterher, sondern betreibt nicht selten bloss Kosmetik. Dies bedeutet, dass die Bevölkerungsmehrheit kaum Einfluss hat. Und das, obwohl wir uns als Demokratie verstehen. Könnte genau dies ein Grundübel sein?

Es ist meines Erachtens dieses strukturelle Problem in unseren westlichen kapitalistischen und (deshalb nur teilweise) demokratischen Staaten, welches zu vielen unserer grössten gesellschaftlichen Schwierigkeiten führt. Auch trägt die mangelnde Demokratie in der Wirtschaft dazu bei, dass ein Teil der Bevölkerung sich nicht für Politik interessiert, geschweige denn aktiv daran teilhat, oder gar zu staatsfeindlichen Haltungen tendiert. Die Menschen bekommen den Eindruck, an politischen Entscheidungen zu partizipieren, habe ja sowieso kaum einen Einfluss auf ihr Leben. Solche Frustration führt zu Polarisierungen, welche, wenn wir uns nicht darum kümmern, grosse Gefahren bergen könnten.

Politiker:innen sind zwar teilweise in beiden Sphären tätig, sie fühlen sich aber – seien wir doch ehrlich! – in der Funktion der Politiker:innen nicht immer diesem Bereich hauptsächlich verpflichtet, sondern oft ist ihnen die Wirtschaft wichtiger als die Menschen, welche sie im politischen System vertreten.

Es bräuchte für eine fairere, sozialere und nachhaltigere Gesellschaft zweierlei:

  • eine Demokratisierung der Wirtschaft, d.h. dass jegliche Entscheidungsfindung in Unternehmen und Organisationen in der Macht all ihrer Mitarbeitenden gemeinsam liegt. Also alle, die in einer Firma in irgendeiner Form tätig sind, egal welche Funktion sie auf welcher Hierarchiestufe ausüben, sollen gemeinsam und mittels demokratischer Prinzipien, analog wie wir sie aus staatlichen Strukturen kennen, die jeweilige Unternehmung oder Organisation leiten oder dies delegieren. Selbstverständlich gäbe es auch hier unterschiedliche Funktionen, in welche die Manager*innen aber gewählt werden müssten, und es gäbe klar definierte Regeln, wofür nur die Versammlung aller zuständig wäre und wofür an welches gewählte Gremium Entscheidungsbefugnisse delegiert würden. Gewisse übergeordnete Regeln, wie das zu geschehen hätte, müssten selbstverständlich durch staatliche Vorschriften festgelegt werden. Beispielsweise wären die Mitarbeitenden gemeinsam für die Festlegung der Löhne respektive Lohnreglemente zuständig. Dies würde, da alle nicht nur ein Interesse an guten Arbeitsbedingungen und fairen Einkommen, sondern auch am Weiterbestehen ihrer Jobs und an der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit haben, automatisch mehr gegenseitiges Verständnis für andere Funktionen ausübende Mitarbeitende und besseres Teamwork sowie mehr politische Teilhabe und Verantwortungsübernahme aller bewirken. Auch würde sich vermutlich längerfristig die bisher ungute Wertung von Arbeit hinsichtlich hierarchischen Positionen und Höhe des Einkommens in eine wünschbare Richtung verändern, was auch übertriebenen Leistungsdruck durch unpassende Jobs mindern und somit die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden fördern würde. Denn wer würde unter solchen neuen Bedingungen schon ein:e überforderte:r Chef:in sein oder eine:n solche:n Vorgesetzte:n haben wollen? Im Gegenteil ergäbe sich mehr Freiheit für alle, wirklich individuell passende Berufe zu wählen, ohne deshalb einen Verlust hinnehmen zu müssen.
  • eine Gewaltentrennung zwischen politischen und wirtschaftlichen Exekutivmitgliedern, d.h. ab einer bestimmten Unternehmensgrösse dürften deren gewählte Entscheidungsträger:innen nicht gleichzeitig politische Ämter übernehmen.

Statt uns entweder darin aufzureiben, den Kapitalismus, also die Profitorientierung der Wirtschaft und ihren Antrieb durch Kapital bekämpfen zu wollen, oder dies (durch wirtschaftliche und technische Fortschritte nötig gemacht) stetig wieder in jedem Detail neu regeln zu müssen, könnte es einen Versuch wert sein, die Entscheidungsfindungsprozesse – die Macht – innerhalb von Unternehmen und Organisationen zwingend nach demokratischen Prinzipien zu organisieren. Damit entkäme man möglicherweise den gröbsten Problemen des Kommunismus, wie sie in den historisch real existierenden Varianten sichtbar wurden, ebenso wie denjenigen des wuchernden Kapitalismus. Stattdessen würden wir das demokratische Prinzip, welches sich bereits im staatlichen Bereich als erfolgreich erwiesen hat, stärken und ausweiten. Dies entspricht den Menschen, wie sie realistischerweise sind, bestimmt besser, als die jeweiligen Extreme von Kapitalismus versus Kommunismus.

Die Wirtschaft bliebe durchaus dynamisch, kompetitiv und innovativ (oder womöglich würde sich dies noch verstärken, da die Mitarbeitenden zufriedener und engagierter sein könnten), aber gleichzeitig wäre eine sozialere und fairere Verteilung von Einkommen und Reichtum, ebenso wie eine gleichmässigere Möglichkeit zur Einflussnahme für alle Menschen gewährleistet. Man könnte Armut und Kluften zwischen sozialen Schichten dauerhaft verringern und die Chancengleichheit aller steigern, statt diesbezüglich immer wieder von Neuem nachzubessern müssen.

© Barbara Schumacher, inspeeratio.ch